Formen
Die 2. waffenlose Form, die CHAM KIU (übersetzt: eine Brücke suchen), folgt der Siu Nim Tau. Die Cham Kiu Form baut auf den zuvor in der Siu Nim Tau erlernten Techniken auf und bietet die
Möglichkeit diese Techniken in Kombination mit anderen, neuen Techniken zu üben.
Die Cham Kiu Form besteht aus drei Teilen und wird im Vergleich zu der ersten Form dynamischer ausgeführt. Die meisten Techniken bzw. Kombinationen von Techniken werden zu jeder Seite dreimal
wiederholt. Neben der Technik Kiu Sau (Brücken-Hand) und der bereits bekannten Schutztechnik Bong-Sau (Flügel-Arm) kommen neue Techniken zum Einsatz. Dazu zählt z.B. der aufsteigende Fauststoß -
Chau Chong Kyun. Hinzu kommen noch ein seitlich ausgeführter und ein gerade ausgeführter Fußtritt.
Das Ziel der Cham Kiu-Form ist es in erster Linie, die erlernten Armtechniken mit den Schritt- und Wendetechniken der Mui Bou zu koordinieren um die Distanz zum Gegner zu überbrücken oder sich in
eine günstige Position zu bringen.
Wie der Name der Form (eine Brücke suchen) schon ahnen lässt unter dem Aspekt, über die Schritte in Verbindung mit den Armen eine „Brücke“ zum Gegner zu schlagen. Sprich, der „Brückenbau“ soll
dazu dienen, die eigene Gegen-Angriffstechnik unter Zuhilfenahme der entsprechenden Schutztechnik wie z.B. Taan Sau (offene Hand) zum Gegner zu „überbrücken“.
Die wichtigsten Techniken aus der Cham Kiu Form werden gezielt in Partnerübungen – dem Chi-Sau Training intensiv geübt und perfektioniert. Speziell in der ersten Sektion Chi-Sau lernen die Wing
Tsun Schüler eine Brücke zum Gegner zu schlagen und über diese Brücke zum Ziel zu kommen.
Nachdem der Schüler die Siu Nim Tau und die Cham Kiu-Form erlernt hat (inklusive der insgesamt sieben dazugehörigen Chi Sau-Sektionen und deren Anwendungen), folgt die Biu Tze-Form. Korrekt
übersetzt bedeutet BIU TZE - „schleudernde Finger“.
Aggressive Techniken wie Ellenbogen- , Handkanten-Schläge, Stiche mit den Fingern und verschiedene Fauststöße ergänzen das Repertoire aus Siu Nim Tau und Cham Kiu. Die Biu
Tze unterrichtet in erster Linie reine Angriffstechniken, welche gezielt auch auf empfindliche Körperpartien wie z.B. gegen den Kehlkopf, Halsschlagader oder die Augen gerichtet sind und somit
schwerste Verletzungen verursachen können. Die in der Biu
Tze erlernten stechenden, schlagenden, hackenden und schneidenden Bewegungen setzen ein hohes Verständnis für die korrekte Ausführung voraus.
Um diese Angriffstechniken später dynamisch und effektiv umsetzen zu können, sollen diese Techniken sinnbildlich so ausgeführt werden, als würde ein Speer oder Dartpfeil geschleudert. Die ganze
Kraft und Dynamik der Technik wird durch alle an der Ausführung beteiligten Gelenke aufgebaut.
Die Wirbelsäule, der Ellenbogen, das Handgelenk und sogar die einzelnen Fingergelenke sollen wie eine „Schleuder“ fungieren, um die jeweilige Technik mit sprichwörtlich „durchschlagendem“ Erfolg
ins Ziel zu bringen.
Die letzte waffenlose Form, die Muk Yan Chong-Form (Form an der Holzpuppe), steht am Anfang des Lehrprogramms zum 4. Technikergrad. Übersetzt bedeutet MUK YAN CHONG in etwa „Die Holzmann-Puppe“,
wobei „Puppe“ als Trainingsgerät zu verstehen ist.
Die Holzpuppenform besteht aus acht unterschiedlichen „Sätzen“. Allerdings entspricht der 2. Satz dem 1. Satz und wird lediglich auf der gegenüberliegenden Seite der Holzpuppe ausgeführt.
Wie fälschlicherweise oft vermutet, dient die Holzpuppe im Wing Tsun Kung Fu-System nicht dem „Abhärten“ der eigenen Arme oder der Beine. Die Holzpuppe ist vielmehr ein „Korrektor“ der Positionen
und der Art und Weise der Ausführung der einzelnen Techniken. Regelmäßiges Training an der Holzpuppe wird der einzelnen Technik eine aggressivere, und spürbar „härtere“ Ausführungsweise
verleihen. Auch hier ist es wieder die Methode, wie die Techniken ausgeführt werden, die diese für den Gegner schließlich „schmerzhafter“ wirken lassen.
Im Lehrprogramm der Holzpuppen-Technik/-Methode, werden im Grunde keine neuen Techniken mehr vermittelt, denn die Holzpuppe vereint alle vorangegangenen 3 Formen, Siu Nim Tau, Cham Kiu und Piu
Zhi. Ergänzt durch 3 Chi Geuk-Sektionen (taktiles Reaktionstraining für die Beine) und die Tripodal-Dummy-Form (Saam Sing Chong).
Sinnigerweise ist dies auch der Grund, weshalb die Holzpuppen-Technik den Abschluss der waffenlosen Techniken des Systems bildet.
Die Holzpuppenform verinnerlicht nochmals die „Pflaumenblüten“- Schrittarbeit und ist ein ideales Übungsgerät, um die im Wing Tsun Kung Fu spezifischen Nahkampf-Tritte zu üben.